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Kulturwissenschaftliche Fakultät

Fachgruppe Soziologie

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Der Frieden als Laboratorium: Analyse der Demobilisierungszonen in Kolumbien und ihre Auswirkungen auf die Wiedereingliederung ehemaliger Guerilla der FARC-EP

Der Frieden als Laboratorium.

Analyse der Demobilisierungszonen in Kolumbien und ihre Auswirkungen auf die Wiedereingliederung ehemaliger Guerilla der FARC-EP

Einer der wichtigsten Aspekte des Friedensabkommens in Kolumbien zwischen der Regierung und der Farc-Guerrilla war die Einrichtung sogenannter Übergangszonen zur Normalisierung (Zonas veredales transitorias de normalización – ZVTN). Ihr Ziel sollte es sein, den Waffenstillstand und die Waffenabgabe der Farc zu garantieren, um somit die Reinkorporation der ehemaligen Kämpfer in das Zivilleben und ihren Übergang in die Legalität vorzubereiten. Insgesamt wurden 23 solcher Gebiete und 7 Konzentrationspunkte in verschiedenen Regionen des Landes geschaffen.

In diesen Gebieten wurden Unterkünfte für die Kämpfer errichtet, die anfänglich für einen Maximalzeitraum von 180 Tagen geplant waren. Allerdings wurde dieser Zeitplan zweimal verlängert, sodass sich die Aufenthaltsdauer der ehemaligen Guerilleros in den Gebieten bis zum Verfassen dieses Textes hinzog. Im Regierungsdekret vom 28. Juli 2017 taufte man die Gebiete in Territorien der Fortbildung und Normalisierung um, womit die Etappe der Reintegration ins Zivilleben eingeläutet werden sollte, nachdem die Waffenabgabe erfolgt war. Das Ziel der Camps sollte es nun sein, kollektive Projekte zur wirtschaftlichen Produktion zu schaffen und die ehemaligen Kämpfer entsprechend dafür auszubilden. Genau diese Integrationsstrategie wurde von der Regierung und der Farc in den Friedensverhandlungen vereinbart, wobei die dafür notwendigen Gelder aus dem Staatshaushalt bereitgestellt werden sollen. Jeder demobilisierte und registrierte Guerillero erhielt zuerst einen finanziellen Anreiz von umgerechnet ca. 580,- Euro und danach eine über zwei Jahre garantierte Monatszahlung in Höhe des Mindestlohns (ca. 230,- Euro), was für kolumbianische Verhältnisse eine recht gute Absicherung darstellt – zumindest, wenn man berücksichtigt, dass Unterkunft und Essen in den Camps kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig sollten staatliche Fortbildungsinstitutionen die Weiterbildungen für die Demobilisierten sicherstellen, an denen auch die umliegenden Dorfbewohner teilnehmen konnten.

Obwohl einige Studien und journalistische Berichte bzw. Reportagen zu den ZVTN erschienen sind, stellt eine akademische Bilanz des Beitrags dieser Gebiete zur Entwaffnung und zur Reintegration ins Zivilleben bis dato ein Desiderat dar.

Gemeinsam mit dem Lehrstuhl der Soziologie in der Universidad del Valle in Kolumbien haben wir an der Universität Bayreuth ein Forschungsprojekt zum Friedensprozess in Kolumbien angestoßen. Beteiligt sind Prof. Dr. Bernd Schnettler (Universität Bayreuth) und Dr. José Fernando Sanchez (Universidad del Valle). Seit 2015 besteht ein enger Arbeitszusammenhang zwischen beiden Lehrstühlen. 2015 war Prof. Dr. Bernt Schnettler Gastdozent im Diplomado in multimodaler Diskursanalyse in Kolumbien und seither werden wechselseitige Besuche und Workshops zum Thema Videografie und eine Mitarbeit im interdisziplinären Arbeitskreis im Videolabor kontinuierlich weitergeführt.

Das Projekt hat eine Anschubfinanzierung für bilaterale Forschungsprojekte beim Bayerischen Hochschulzentrum für Lateinamerika (BAYLAT) erhalten und läuft nun eine Finanzierung der Universidad del Valle. 

Workshop 2020Einklappen

COLOMPAZ

»Workshop in der Demobilisierungszone Tierra Grata zur Analyse der FARC-Lager in Kolumbien und ihre Auswirkungen auf die Wiedereingliederung ehemaliger Guerilla im Friedensprozess«

gefördert vom BMBF

Vom 13. bis zum 20. Februar 2020 fand ein kooperativer Workshop in einem der ETCR (Tierra Grata, Cesar) in Kolumbien statt. Finanziert über die Vergabe finanzieller Mittel zur Durchführung eines Workshops durch das BMBF im Rahmen des Kolumbientages 2019, konnte ein Forschungsteam der Universität Bayreuth, der Universidad del Valle und der Universidad Complutense Madrid nach Tierra Grata reisen, um dort die Auswirkungen der temporalen Lager auf die Wiedereingliederung der ehemaligen FARC-Guerilla im Friedensprozess zu untersuchen und einen Workshop vor Ort durchzuführen. 

Der Feldaufenthalt diente nicht nur der fortlaufenden Erhebung von Daten im Rahmen des Projektes, sondern auch der Durchführung explorativer Datenanalysewerkstätten gemeinsam mit den Bewohnenden des ETCR sowie eines Videoproduktionsseminars. Während somit der Aufenthalt zum einen der konkreten inhaltlichen Umsetzung unseres gemeinsamen, längerfristig angelegten Forschungsprojektes beitrug, d.h. der sozialwissenschaftlichen Erforschung konkreter Übergangszonen mit Mitteln der neueren visuellen Soziologie, diente der Videoproduktionsworkshop gleichzeitig der Fortentwicklung der ehemaligen Guerilleros im Zuge des Wiedereingliederungsprozesses.

Durch die Einbindung von Raúl Fernández San Miguel (Madrid) als Spezialist für die Produktion ethnographischer Filme, haben die Ex-Combatientes nun in der Folge dieser Weiterbildung die Möglichkeit, nicht länger auf die mediale Berichterstattung anderer angewiesen zu sein, sondern ihre eigene Lebenswirklichkeit mittels qualitativer Filmprodukte für eine breite Öffentlichkeit zugänglich machen zu können.

Im Rahmen dieses Workshops entstanden dabei Videoprodukte der Bewohnerinnern und Bewohner, die die Resultate des Seminars visuell aufzeigen:

ProjektpartnerEinklappen
  • Prof. Dr. Bernt Schnettler (Universität Bayreuth)
  • Prof. Dr. José Fernando Sánchez Salcedo (Universidad del Valle)
PublikationenEinklappen
  • Diesselmann, Anna-Lena & Andreas Hetzer (i.E.): Representaciones de paz y conflicto. Aproximaciones desde la sociología visual. Universitas Humanística.
  • Sánchez Salcedo, José Fernando (2018): La desmovilizaeiön de las FARC: ethos visual y rito de institucionalizaciön. In: C. A. Charry Joya (Hrsg.): Ciudadanías conectadas. Sociedades en conflicto. Investigaciones sobre medios de comunicación, redes sociales y opinión pública. Bogota: Editorial Universidad del Rosario, 141–176.
VorträgeEinklappen
  • »Dentro de un Laboratorio de Paz. Del Desarme a la Reincorporación en las Zonas de Desmovilización de las FARC«, Anna-Lena Diesselmann & Andreas Hetzer
    Juni 2019, Kongress »¿Latinoamérica y paz? Nuevas propuestas sobre la paz y la violencia«, Weingarten.
  • »Kampf der Bilder für den Frieden? Evidenzherstellung und visuelle Rhetorik in Kolumbien vor und nach der Demobilisierung der FARC«, Bernt Schnettler
    Oktober 2019, 3. Sektionskongress der Wissenssoziologie »Gewissheit«, Koblenz
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Verantwortlich für die Redaktion: Dr. Tom Kaden

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